Veronika Proske
Dissertationsprojekt: Der Romzug Kaiser Sigismunds
Als der aus der Dynastie der Luxemburger stammende römisch-deutsche König Sigismund am 31. Mai 1433 im Petersdom zum Kaiser gekrönt wurde, hielt er sich bereits über eineinhalb Jahre in Italien auf. In der Tradition des 19. Jh. wird sein Romzug bis heute vornehmlich unter machtpolitischen Gesichtspunkten und damit als defizitär betrachtet. Der Italienzug Sigismunds war kein kriegerisches Unternehmen mehr, das Reichsrechte mit Waffengewalt zu restituieren suchte, sondern eine repräsentative Reise ähnlich modernen Staatsbesuchen, die der herrscherlichen Selbstinszenierung und demonstrativen Zurschaustellung politischer Beziehungen diente. An die Stelle militärischer Konfrontation trat die gemeinsame Inszenierung von Gast und Gastgeber. Dies machte den Romzug Sigismunds zu einem herausragenden Katalysator für innovative, die ephemere Festkultur überdauernde Leistungen in Literatur, Musik und bildender Kunst, deren übergreifende Analyse noch aussteht. Der abwertenden Tendenz neuzeitlicher Betrachter widerspricht auch, dass Sigismund viele italienische Zeitgenossen faszinierte und häufig einen positiven Eindruck bei ihnen hinterließ. Wie konnten die Eliten Italiens das Auftreten des Luxemburgers, der aus dem ‚barbarischen‘ Norden mit einer ungarischen Entourage anreiste, mit ihrem bereits von Humanismus und Renaissance beeinflussten Bild des römischen Kaisertums in Einklang bringen? Welche Strategien setzten Sigismund und seine Berater ein, um ohne Einsatz von Gewalt im komplexen politischen Gefüge Italiens an ihr Ziel zu gelangen?
Das Dissertationsvorhaben untersucht am bisher vernachlässigten Beispiel Sigismunds Bedingungen und Formen politischer Kommunikation zwischen dem Reich und Italien und fokussiert die Aufnahme des Reichsoberhaupts südlich der Alpen vor dem Hintergrund der sich im Zeichen von Humanismus und Renaissance wandelnden Kultur Italiens. Angeregt durch Ansätze der Histoire croisée, sollen in einer multiperspektivischen Betrachtungsweise die einseitigen Beurteilungskategorien der älteren Forschung überwunden und die bisher wenig beachteten interdisziplinären Erkenntnisperspektiven des Untersuchungsobjekts sichtbar gemacht werden. Über die herkömmliche Rechts- und Verfassungsgeschichte hinaus ist das Thema daher besonders für die „Kulturgeschichte des Politischen“ relevant und vermag weiterführende Impulse für die italienische Stadt-, Alltags- und Mentalitätsgeschichte am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit zu geben.