Mittelalterliche Geschichte
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Dr. Jan Keupp

Habilitationsprojekt: Die Wahl des Gewandes Mode, Macht und Möglichkeiten in der Gesellschaft des Mittelalters

Kleider waren in der Sichtweise mittelalterlicher Betrachter weit mehr als leere Hüllen aus Wolle, Pelz und Leinwand. Über ihren unmittelbaren Funktionswert als Schutz vor Witterung und unerwünschten Blicken hinaus besaßen sie unverkennbar soziale Relevanz. Die ständische, geschlechtliche und moralische Verweisfunktion der Kleidung sollte indes nicht zu der Annahme einer strengen Determiniertheit sozialer Praktiken und damit verbundener ‚unproblematischer' Identitäten verleiten. In Abgrenzung zu gängigen sozialevolutionistischen Identitätsmodellen, die dem Mittelalter statische und als unveränderlich geltende Identitäten zuschreiben, will sich das interdisziplinär-mediävistisch angelegte Forschungsprojekt dem Konnex von Kleiderwahl und Identitätskonstruktion widmen. Unter den spezifischen Bedingungen der stratifizierten Gesellschaft des Mittelalters ist dabei nach sozialen Spielräumen und Grenzsetzungen der intersubjektiver Selbstverortung durch Kleidung zu fahnden. Dies geschieht unter zwei komplementären Zentralperspektiven:

  • Zunächst soll die Zeichenfunktion des Gewandes als Ansatzpunkt konsensualer wie kontroverser gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse über personale Identität charakterisiert werden. Die Analyse der Kleiderwahl erschließt dabei auf der Folie vielfältiger sozialer Normierungsversuche einen Zugang zur Subjektebene mittelalterlicher Identitätskonstruktionen.
  • Anschließend wird der Einsatz vestimentärer Symbolik als Strategie der Selbstpositionierung auf der Bühne zeitgenössischer Politik in den Blick genommen. Der soziale Code hierarchischer Differenzierung erweist sich dabei als Motor ostentativer Kleiderwahl zwischen den Polen kollektiver Akzeptanz und Ablehnung.

Methodisch sollen im Rahmen des Projektes Fragestellungen der sozialwissenschaftlichen Forschung in vormoderne Epochen fortgeschrieben und auf der Basis historiographischer, literarischer und ikonographischer Quellenüberlieferung geprüft werden. Das Vorhaben versteht sich darüber hinaus als transdisziplinärer Beitrag zu einer 'Kulturgeschichte des Politischen'.