Mittelalterliche Geschichte
print


Navigationspfad


Inhaltsbereich

PD Dr. Jochen Johrendt

 

Die Diener des Apostelfürsten. Das Kapitel von St. Peter im Vatikan (11.-13. Jahrhundert)

Die im Oktober 2008 als Habilitationsschrift angenommene Arbeit zum Kapitel von St. Peter im Vatikan (11.-13. Jahrhundert) ist die erste umfangreichere Abhandlung zum Kapitel von St. Peter seit dem 18. Jahrhundert. Der erste Band die Arbeit ist dreigeteilt, in eine Aufarbeitung der Verfassung, der Prosopographie des Kapitels von St. Peter sowie seines Verhältnisses zu den Päpsten. Im Anhang finden sich Biogramme zu den Peterskanonikern sowie eine Edition der beiden ältesten Zinsverzeichnisse des Peterskapitels. Dank eines komparatistischen Zugangs, der immer wieder die Situation an den beiden anderen vergleichbaren römischen Kapiteln (S. Giovanni in Laterano und S. Maria Maggiore) berücksichtigt, wird die herausragende Stellung des Kapitel von St. Peter für das städtische Gefüge ebenso wie für die Kurie deutlich.

Die Bedeutung des Kapitels für die Kurie wird beispielsweise an seiner Leitung deutlich. Seit dem ersten Drittel des 12. Jahrhunderts übte diese ein Kardinal als Archipresbyter aus, lange bevor die Orden Kardinalprotektoren erhielten. Die innere Organisation des Kapitels stellt sich völlig anders dar, als dies nördlich der Alpen oder auch in Oberitalien der Fall war. Die Studie liefert damit einen wichtigen Baustein zu Beschreibung von Kanonikergemeinschaften im europäischen Rahmen. Dabei kam dem Kapitel von St. Peter etwa bei der Wirtschaftsorganisation innerhalb Roms eine führende Rolle zu, die von anderen Kapiteln imitiert wurde. Eine Präeminenz des Peterskapitels im römischen Kontext bestand bereits aufgrund seiner Größe. Am Ende des Untersuchungszeitraums zählte das Kapitel 86 Mitglieder und konnte es von seiner Größe her mit den bedeutenden französischen Kathedralkapiteln ohne weiters aufnehmen. Die prosopographische Untersuchung erbrachte, dass das Kapitel keineswegs durch den „Adel“ – ein für die römischen Verhältnisse problematischer Begriff – dominiert war. Numerisch blieb diese Gruppe stets in der Unterzahl und stellte weniger als ein Drittel der Peterskanoniker. Dennoch ist eine Verbandsbildung innerhalb der Römischen Adelsgruppen deutlich zu erkennen, bei denen das Peterskapitel einen wichtigen Kristallisationspunkt bildete, an dem Verbindungen und Konfliktlinien über Heiraten hinaus manifest wurden. Die Verwerfungen in der Stadt spiegeln sich auch in der personellen Zusammensetzung der Kanonikerkapiteln wider. Die engen Wechselbeziehungen zwischen dem Peterskapitel und der Kurie werden daran deutlich, dass das Kapitel – die Archipresbyter mit eingerechnet – bis 1304 nicht weniger als 27 Kardinäle zugleich als Peterskanoniker ansprechen konnte. Auch im Bereich der päpstlichen Kapelle sind außergewöhnlich intensive personelle Verschränkungen zwischen Kurie und Peterskapitel zu fassen. Vor allem die Anzahl der Peterskanoniker, welche im 13. Jahrhundert die Kathedra Petri bestiegen, veranschaulicht die hohe Bedeutung des Peterskapitels für Kurie und Papsttum. Innozenz III. und Bonifaz VIII. waren vor ihrer Erhebung Kanoniker an St. Peter, was während ihres Pontifikats zu einer starken Förderung des Kapitels führte. Das trifft ebenso auf Gregor IX. und Nikolaus III. zu, die vor ihrem Pontifikat als Kardinalarchipresbyter des Peterskapitels tätig waren. Den Abschluss der Untersuchung bildet ein neues Bild von Entstehung und Genese des ersten Heiligen Jahres (1300).

Dieser erste Band der Habilitationsschrift wird in der Reihe Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom publiziert. Der zweite Band umfasst neben einleitenden Bemerkungen zur Geschichte des Archivs 275 Regesten zu den Urkunden aus dem Archiv des Peterskapitels zwischen 1198 und 1304. Er bietet eine systematische Erschließung und Aufarbeitung des zum größten Teil ungedruckten Materials. Er wird als eigenständige Publikation in der Reihe Studi e testi der Biblioteca Apostolica Vaticana erscheinen.