Mittelalterliche Geschichte
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Dr. Georg Strack

Perzeption und Imagination politischer Redekultur im Mittelalter
Reden und Predigten der Päpste (11.-14. Jahrhundert)

Politische Reden spielten im Mittelalter, anders als in Antike und Moderne, kaum eine Rolle; auf politischen Versammlungen sollen Ansprachen, Reden und Predigten bestenfalls dazu gedient haben, den liturgisch-zeremoniellen Rahmen feierlich auszugestalten – so die gängige Annahme.
Hier setzt das Forschungsprojekt an, das die grundlegende Bedeutung politischer Redekunst im Hoch- und Spätmittelalter herausarbeitet und damit einen lange vernachlässigten Aspekt in der Geschichte der politischen Kommunikation erschließt. Als repräsentative Quellenbasis dienen alle Arten von Reden und Predigten, die von Päpsten in politischen Kontexten – vornehmlich Synoden und Konsistorien – gehalten wurden. Predigtsammlungen finden sich im fraglichen Zeitraum kaum, doch werden päpstliche Ansprachen in einigen Mitschriften und zahlreichen offiziösen (Konzils-)Protokollen überliefert. Diese wurden meist von „Ohren“-Zeugen verfasst, beruhen auf sinnlicher Perzeption und können folglich für die Rekonstruktion päpstlicher Redepraxis herangezogen werden. Daneben werden zahlreiche, meist literarisch überformte oder gänzlich fingierte Sprechakte von Päpsten in der Geschichtsschreibung überliefert. An ihnen lässt sich ablesen, welche große Bedeutung das Bild des redenden Papstes für das politische Imaginaire des Mittelalters erlangte. Vor dem Hintergrund dieser Differenzierung werden die Reden der Päpste von Benedikt VIII. bis Bonifaz VIII. erstmals im Sinne der „Oratorikforschung“ im Spannungsfeld von ritueller Persuasion und symbolischer Repräsentation zu interpretieren sein.